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MTU-Hannover: Von der Handarbeit zur Vollautomation
Gut ein halbes Jahr nach der Investition zeigen sich Peter Stippler und Dr. Hans-Henrik Westermann, beide Experten für maschinelle Fertigungstechnik am MTU-Standort in Hannover, hochzufrieden: „Wir haben mit allen Beteiligten die strategische Entscheidung getroffen, unsere Bearbeitungskapazitäten auf sechs Achsen auszubauen und dabei fiel unsere Wahl auf ein System, das die Bearbeitung von Werkstücken in einer Aufspannung ermöglicht. Mit dieser Entscheidung haben wir die Produktivität erheblich gesteigert, die Auslastung unserer Fertigung verbessert, eine höhere und einheitlichere Teilepräzision erreicht sowie die Kosten gesenkt.“
Der erste Kontakt zwischen der exeron GmbH und der MTU Maintenance Hannover, die als Herzstück der MTU Maintenance-Gruppe verantwortlich für die Instandhaltung mittlerer und großer ziviler Flugtriebwerke ist, geht auf das Jahr 2007 zurück. Bereits damals gelang mit der Realisierung einer vollautomatisiert integrierten Erodieranlage in einer Roboterzelle die seinerzeit einzigartige Implementierung einer hochtechnisierten Reparatur von Laufschaufeln der Hochdruckturbine.
Im Jahr 2020 begannen dann die ersten Arbeiten zum nunmehr erfolgreich abgeschlossenen Projekt der Entwicklung automatisierter Erodierlösungen bei der Reparatur von Turbinensegmenten, die als Kernkomponente moderner Flugtriebwerke sehr hohe Anforderungen an die Fertigungspräzision stellen und aufgrund höchster Sicherheitsanforderungen und immenser Werthaltigkeit der Teile eine maximale Prozesssicherheit erfordern.
Konkret geht es im neuentwickelten Prozess um die Bearbeitung von Kühlluftbohrungen und Dichtflächen, die sich geometrisch durch kleine Durchmesser, sehr enge Kavitäten sowie schlecht zugängliche Stege und Rippen auszeichnen und dabei maßlich allesamt in Bereichen zwischen 0,5 mm und 1 mm rangieren.
Bei den beschriebenen Bauteilen existieren zudem weitere technologische Herausforderungen, die den Erodierprozess erschweren und besonders hohe Anforderungen an die Prozessregelung stellen.
Für die beschriebene Bearbeitung sind dies im aktuellen Fall insbesondere:
• die aufgrund der beschriebenen Geometrien und Hinterschnitte fehlende Spülung an schwer zugänglichen Stellen sowie die nur sehr eingeschränkt gegebene Möglichkeit, die Elektrode in den genannten Bereichen zu rotieren
• eine hochwarmfeste Superlegierung als Schaufelwerkstoff
• die strikte Vermeidung von Mikrorissen, auch bei werkstofflicher Inhomogenität durch aufgebautes Reparaturmaterial
Vor der Investition in die neuen Anlagen setzte das MTU-Team zur Bearbeitung von komplexen Leit- und Laufschaufeln hauptsächlich auf dreiachsige Erodiermaschinen. Diese lieferten zwar gute Ergebnisse, boten aber in puncto Produktivität noch deutliches Optimierungspotenzial. Ein Hauptmanko war dabei der hohe Zeitbedarf bei der Maschineneinrichtung der überwiegend handgeführten Prozesse.
„Wir waren von der Prozessperformance nicht dort, wo wir sein wollten“, erläutert Peter Stippler. „Bei den alten dreiachsigen Maschinen ging viel Zeit bei der Maschineneinrichtung sowie bei der Planung und Konstruktion individueller Erodiervorrichtungen verloren.“ „Außerdem hatten die häufigen Unterbrechungen im Produktionsablauf nicht nur negative Auswirkungen auf die Produktivität, sondern angesichts der erforderlichen manuellen Werkstückhandhabung auch auf die Präzision der Teile, ergänzt Dr. Hans-Henrik Westermann.
Der nun optimierte Bearbeitungsprozess liefert neben den bereits realisierten Zeit- und Kostenvorteilen zusätzlich eine hohe Prozessstabilität, die durch die exakte und reproduzierbare Einhaltung aller wichtigen Erodierparameter erreicht wird.
Der Erfolg des Projekts ist dabei auch auf die von Anfang an partnerschaftlich ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen der MTU Maintenance Hannover und exeron zurückzuführen, wobei gemeinsam von Vertrieb, Entwicklung und Anwendungstechnik die Optimierungspotenziale beim Kunden identifiziert wurden und im Anschluss die Überführung in ein maßgeschneidertes mehrstufiges Anlagenkonzept gelang.
Im Rahmen dieses Anlagenkonzepts wurden in der ersten Ausbaustufe drei hochmoderne exeron Standard-Senkerodiermaschinen EDM 312 mit Dreh-Schwenk-Tischen zur 6-Achs-Simultanbearbeitung und Elektroden-Wechselsystemen beschaffen, die nunmehr die Realisierung aller bei der Reparatur von Leit- und Laufschaufeln anfallenden Erodieraufgaben auf einer Maschine zulassen – ineffiziente Maschinenwechsel und zeitaufwendige Rüstvorgänge gehören damit der Vergangenheit an.
Die in den Maschinen verbauten Dreh-Schwenk-Tische wurden eigens für diese Anwendungen projektiert und realisiert. „Dabei war der Umsetzungszeitraum von rund zwei Jahren wirklich ambitioniert“, hält Udo Baur, Vertriebschef für Deutschland und Europa bei exeron, zu diesem Projekt fest. „Bereits die erste von uns gelieferte Maschine war für den erfolgreichen Nachweis eines funktionierenden Fertigungskonzepts von ausschlaggebender Bedeutung und hat dazu geführt, dass jetzt insgesamt drei neue exeron EDM 312 in Hannover im Einsatz sind.“
„Die Erwartungshaltung des Kunden konnten wir mit unseren Vorschlägen übertreffen und auch die Mitarbeiter der MTU, die an den hochmodernen Maschinen arbeiten, nehmen die neue Techniklösung hervorragend an“, fährt Udo Baur fort. Nach Einschätzung von Peter Stippler habe dazu mit Sicherheit auch das ausführliche Schulungsprogramm von exeron beigetragen, in dessen Rahmen die Mitarbeiter kompetent und praxisnah ausgebildet wurden.
Auch trotz der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage bleibt die MTU Maintenance Hannover technologisch sprichwörtlich „immer am Ball“ und treibt Prozessinnovationen konsequent voran. „Gedanklich sind wir in der Konzeption weiterer Ausbaustufen schon weit fortgeschritten und streben im nächsten Schritt die Verkettung unserer drei EDM 312 über ein zentrales Handlingsystem an. Damit wollen wir einerseits die Prozesseffizienz noch weiter steigern und andererseits gleichzeitig ein Komfortplus für die Maschinenbediener erzielen“, sagt Peter Stippler. Perspektivisch ist für einzelne Schaufeltypen auch der Schritt hin zu einer vollautomatischen Bearbeitungslösung denkbar, um potenziell steigenden Kundenbedarfen schnell und flexibel begegnen zu können. „Es ist gut vorstellbar, dass wir hier in der Zukunft weitere Schritte unternehmen werden – für uns im Bereich des Repair Technology Services gilt dabei stets unser Motto: Customer first, better every day!“, fügt Dr. Hans-Henrik Westermann hinzu.
In der Beurteilung der Kooperation kommen beide Partner jedenfalls zu ganz ähnlichen Einschätzungen. Bei einem derart ambitionierten Projekt zählen Erfahrung und Vertrauen auf beiden Seiten zu den entscheidenden Faktoren. Weiterhin ist ein fundiertes Prozesswissen unerlässlich, um den Gesamtablauf so zu entwickeln, dass er einerseits die hohen Anforderungen des Auftraggebers dauerhaft und nachhaltig erfüllt und andererseits auch vom Maschinenhersteller funktional und wettbewerbsfähig umgesetzt werden kann. Dies ist im Fall der Zusammenarbeit zwischen MTU Maintenance Hannover und exeron erneut hervorragend gelungen und auch deshalb werden beide Unternehmen zukünftig im Rahmen der Entwicklung von neuen Hightech-Reparaturen und der zugehörigen Umsetzung von anspruchsvollen Bearbeitungsaufgaben eng zusammenarbeiten.
Von der MTU Maintenance werden am Standort Hannover mittlere und große zivile Flugtriebwerke instandgehalten und repariert
Bildquelle: MTU Maintenance Hannover
Drei neue exeron 6-Achs-Erodieranlagen EDM 312 wurden im Zuge der konsequenten Modernisierung maschineller Prozesse der Airfoil-Repair am Standort Hannover erfolgreich projektiert und in Betrieb genommen
Bildquelle: MTU Maintenance Hannover
Der Erodierprozess an Kühlluftbohrungen einer Turbinenschaufel findet an hochbeanspruchten Stellen des Bauteils statt
Bildquelle: MTU Maintenance Hannover